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STUDIUM GENERALE: Literatur: Das Rätsel Homer

Vor fast 3000 Jahren entstanden Ilias und Odyssee. Aus dieser Epoche ist archäologisch und historisch fast nichts bekannt; Ilias und Odyssee sind die einzigen Zeitzeugnisse für die “dunklen Jahrhunderte” zwischen Trojanischem Krieg (1100 v.Chr.) und Homerzeit (700 v.Chr.). Es sind keine Heldenzyklen (wie das ältere babylonische Gilgamesch-Epos), sondern durchkomponierte literarische Kunstwerke - die Geburtsstunde und bis heute glänzende Höhepunkte der Weltliteratur. Die Ilias erzählt eine kurze Episode aus dem Trojanischen Krieg. Wir erleben die leidenschaftlichen Auseinandersetzungen um Helena, Hektors ergreifenden Abschied von seiner Gattin Andromache, den Hass der Machthaber und die Versöhnung. Machtkämpfe, Zorn und Verblendung, Leid und Mitleid, sind die zeitlosen Themen der “Ilias”. Mythologisch geht es um den Raub der Helena, historisch um die Bodenschätze Asiens, ethisch um die Erfahrung, wie der Hass den Menschen erniedrigt. Die Odyssee erzählt die „Irrfahrten“ des Odysseus und seine Heimkehr: Es ist ein Prüfungsweg. Das Mittelmeer wird zur seelischen Geographie mit schwimmenden Inseln, Riesen, Zaubergärten, Märchenvölkern. Die Entschlüsselung dieser „Abenteuer“ ist zeitlos aktuell. Was bedeuten Früchte des Vergessens, Blendung eines einäugigen Riesen, Verzauberung in Tiere, Sirenengesang, ein Gang in die Unterwelt? Nach ungeheuren Prüfungen kehrt Odysseus als Bettler in seinen eigenen Königspalast zurück. Seine Heimkehr gerät zur überwältigenden poetischen Huldigung an seine Gattin Penelope, der herrlichsten Frau der Antike. Aber auch dann wird er wieder ins Unbekannte aufbrechen müssen. Es gibt kein Verweilen. Aktuellere Literatur ist heute kaum denkbar – Ilias und Odyssee sind Menschheitsdramen.

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