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Studium generale: Brüche / Literaturwissenschaften: / Der Ehebruch als literarisches Phänomen / Dre

Dr. Wolfgang Matz, Philosoph und Musikwissenschaftler, Lektor beim Hanser Verlag „Romane schließen damit, dass Held und Heldin heiraten. Damit müsste man anfangen, aufhören aber damit, dass sie sich wieder trennen, das heißt befreien. Denn das Leben von Menschen so beschreiben, dass man mit der Schilderung der Hochzeit abbricht, ist nicht anders, als beschriebe man die Reise eines Mannes und bräche den Bericht an der Stelle ab, wo er Räubern in die Hände fällt.“ Den witzigen, bösen Satz notierte sich am 30. August 1894 ein sechsundsechzigjähriger verheirateter Mann in sein Tagebuch, Lew Tolstoi, der weltberühmte Autor der Anna Karenina. Die moderne Gesellschaft ist unübersichtlich und gefährdet, geprägt weniger von Kontinuität als von Brüchen. Eines soll dabei halten und Sicherheit geben: die private Bindung, die Liebe, die Ehe. Die Literatur aber beginnt mit Vorliebe genau dort, wo etwas zweifelhaft wird, schwankt, bricht. Liebe und Betrug sind die ewigen Themen der Literatur, von Tristan und Isolde bis zu Don Giovanni – doch mitten im 19. Jahrhundert taucht plötzlich eine neue Variante der alten Geschichte auf: der Ehebruch in der bürgerlichen Familie. Emma Bovary, Anna Karenina und Effi Briest sind ihre Heldinnen. Warum lesen wir noch immer die Bücher aus einer ganz anderen Zeit? Haben sie uns noch etwas zu sagen? Denn etwas finden wir in diesen grandiosen Romanen, was unvermindert stark zu uns spricht: das Gefühl der Wahrheit, der tiefe Eindruck, das hier nicht einfach geplaudert wird, sondern wirklich über die Menschen gesprochen, über ihr Leben, ihre Liebe. Dr. Wolfgang Matz studierte Philosophie und Musikwissenschaften und lehrte ab 1987 an der Universität Poitiers deutsche Sprache und Literatur. Seit 1995 lebt er als Autor, Übersetzer und Lektor in München. Als Übersetzer französischer Prosa und Lyrik wurde er mit dem Paul Celan-Preis und dem Petrarca-Preis ausgezeichnet. 2018 wählte ihn die Bayerische Akademie der Schönen Künste zum ordentlichen Mitglied. Zuletzt veröffentlichte er die Bücher Die Kunst des Ehebruchs. Emma, Anna, Effi und ihre Männer (Göttingen 2014) und Frankreich gegen Frankreich. Die Schriftsteller zwischen Literatur und Ideologie (Göttingen 2017).
Zielgruppe: andere Adressatengruppen (ab 2018)

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